Lieber Peter
Es hat mich herzlich
gefreut, doch noch einmal ein Sammelbuch zu sehen von Deiner Klasse; und Du darfst das Deine
ja auch zeigen. Es ist tüchtig angeschwollen. Es macht Freude, darin zulesen! Vor allem zeigt
sich, dass in dem nun erwachten geistigen Eigenleben, sodass ich geneigt bin zu erklären: das
Sammelbuch hat in diesem einen Fall seinen schönsten Zweck erreicht. – Ich habe nicht mehr
korrigiert, aber alles gelesen. Du weißt: Korrigieren heisst bei mir nicht nur Fehler anzuzeichnen,
sondern Stellung nehmen: dazu reicht die Zeit nicht mehr. Was aber zu sagen bleibt ist dies: ich
habe in der letzten Zeit ein starkes inneres Wachstum bei dir festgestellt. Du hast an Format
gewonnen, denn deine Kräfte unterwerfen sich mehr und mehr der Zucht, der Form. Du bist sehr viel
reifer geworden. Du warst auch ein feiner Mitarbeiter und für den idealistischen Gemeinschaftsplan
der Klasse hattest du, der Zögernde, Skeptische, einen starken Sinn. Gerade mit so einem Peter
liesse sich leicht in die Fremde gehen: unkompliziert, tatkräftig, leistungsfähig. Du wirst Dich
vermutlich auch in Europa völlig entwickeln können, denn Du wirst Dir Zeit lassen. Überhaupt sehe
ich Deine Zukunft , soweit sie von dir abhängt, in hellem Lichte und auch die allernächste die
kommenden Montag beginnt , kann nicht fehlen.
Behalte Deine herzhafte,
menschenfreundliche, positive Art bei; wenn Du dann Deinen Schopenhauer immer besser kennen lernst,
und wenn unser Peter, trotz allen „a posterioris“ im wesentlichen der alte Sunny Boy
bleibt: glaube mir, das gibt die besten Voraussetzung zu einem freundlichen, holden, erfolgreichen
Lebensablauf. ‑ Es ist alles relativ, besonders das Glück ‑ aber in der Relativität
gibt es ein Mehr und ein Weniger. Dir wird das erste beschieden sein, und für die schlimmeren Tage
halte die Aphorismen in Griffnähe!
Ich danke Dir für Deine
Mitarbeit und wünsche dir herzlich den Erfolg im Leben, den uns keine Krise, kein Krieg, kein
Schicksalsschlag mehr entreissen kann.
6. März
1959
|