Die Anreise nach Spanien ist dieses Jahr in zweifacher Hinsicht speziell.

Unser Camper wurde nämlich in Scherzingen abgeholt und „Huckepack“ zum Campingplatz bei Valencia transportiert während wir ein paar Tage später nur mit etwas Handgepäck von Zürich nach Valencia flogen. Der Blick auf die tief verschneiten Alpen war grandios. Dank der Ansage aus dem Cockpit konnten wir Eiger, Mönch und Jungfrau bewundern, ebenso den Mont Blanc und am Matterhorn flogen wir „fast in Reichweite“ vorbei. Der Flug war bis Nordspanien ruhig, dann machten sich Turbulenzen bemerkbar. Trotzdem setzten wir pünktlich zur Landung an, aber wenige Meter über der Landebahn startete die Maschine wegen zu starker Seitenwinde durch, was Esther und vielen anderen Passagieren gar nicht zusagte, kämpften sie doch gegen Reiseübelkeit.

Mit der Metro fuhren wir anschliessend problemlos zu unserem rollenden Zuhause auf dem Campingplatz im ländlichen Umfeld von Valencia.

Die nächsten drei Tage hatten wir so schönes Wetter, dass wir bereits im Freien frühstücken konnten, bevor wir mit der Metro in die Innenstadt fuhren. Der Zug füllte sich immer schnell mit Menschen, die alle zum grossen FALLAS Fest wollten. Wir waren sehr froh, dass wir einen Sitzplatz hatten. Das Gedränge in der Metro war aber nur eine leise Andeutung dessen, was uns auf den Strassen und Plätzen erwartete. Im Grossraum Valencia leben rund 1,8 Millionen Menschen und es scheint, dass in diesen Festtagen von den Säuglingen bis zu den Senioren fast alle in der Stadt unterwegs sind. Dazu kommen noch Touristen aus Spanien und aus dem Ausland. Laut Zeitungsberichten sollen dieses Jahr allerdings beträchtlich weniger Touristen für das Fest angereist sein. In den Lokalzeitungen werden Stimmen laut, den Höhepunkt des mehrtägigen Festes vom traditionellen Datum am 19. März (Josephstag = Día de San José) auf den Montag darnach zu verschieben, damit die spanischen Besucher ein verlängertes Wochenende dafür einsetzen können! Selbst die Regierung in Madrid setzt sich seit einiger Zeit dafür ein, dass die im 19. Jahrhundert entstandene Tradition der Fallas zum Weltkulturerbe der UNESCO wird.

Warum streben überhaupt so viele Hundertausend Menschen in diesen Tagen in die Altstadt? Die zum Teil enorm grossen Fallas werden ab dem 15.März auf ihren Standplätzen fertig aufgebaut. Dieses Jahr waren es rund 800 „Statuen“, die von den Zuschauern kritisch bewertet werden. Jeder kann mitbestimmen, welche der vielen ninots (=einzelne Fallas Figuren/Puppen) die beste ist und darum in der Nacht vom 19./20.März NICHT angezündet, sondern „verschont“ (= ninot inundat) und ins Fallas Museum gebracht wird. Der Besuch dieses Museums ist für das Verständnis des Festes sehr empfehlenswert. In einer Videoprojektion erfährt man interessante Details und anschliessend kann man die zahlreichen Figuren sehen, die seit den 1920er Jahren vor dem Feuer gerettet wurden. Der Ursprung der Feierlichkeiten liegt in den parots der Schreiner: Holzlampen, die im Winter die Werkstätten erleuchteten und am Abend vor dem Tag des Schutzheiligen San José auf der Straße verbrannt wurden. Anfangs wurde ihnen durch die Ausstaffierung mit alten Lumpen ein menschliches Aussehen verpasst; Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch wurde damit begonnen, Umfang und Größe der Figuren zu erweitern und ihre Züge zu verbessern, wodurch sie zu dekorativen Riesenpuppen wurden. Bis 1958 trugen diese Figuren echte Kleider, seither wird alles an den Figuren modelliert und in leuchtenden Farben bemalt. Die Herstellung eines ninot ist eine grosse Kunst, die innerhalb jeder Fallas Gruppe (=Nachbarschaftsverein) von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Viele Fallas beziehen sich auf lokale Ereignisse, sind Karikaturen und mit lustigen Sprüchen versehen. Das erinnert uns an die Laternen am Basler Morgenstraich, aber die „Druggete“ um die Fallas herum ist noch grösser. Die Figuren sind sehr kunstvoll und auch für Auswärtige ohne Lokalkenntnisse lustig. Neben den enorm hohen und vielschichtigen Fallas Monumenten gibt es auch spezielle kleinere Figurengruppen für die Kinder jeder Falla Vereinigung.

Die sogenannte Cremà (= Verbrennen) der Fallas Figuren ist jedes Jahr ein weiterer spektakulärer Höhepunkt, zu dem wiederum viele Tausend Menschen strömen. Es ist eine eigentliche „Ode an das Feuer“, die nach genauem Zeitplan gefeiert wird. Die Cremà ist allerdings nicht ganz ungefährlich, denn die Figuren stehen oft auf kleinen Strassenkreuzungen oder Plätzen sehr nahe der Häuser. Dieses Jahr kam erschwerend dazu, dass der Wind am 19.März den ganzen Tag heftigen blies und Windböen bis zu 70 Stundenkilometer die Figuren zum Schwanken brachten. Einige der Fallas Figuren wurden von den Sturmböen ganz umgeblasen und zerstört Während der Cremà trug der Wind auch bereits brennende Teile weg und liess sie auf die Zuschauer fallen. Es gab daher dieses Jahr viel mehr Verletze als üblich. Dem Löwen, der dieses Jahr auf dem Rathausplatz stand machte das nichts aus, war er doch 7 Tonnen schwer, davon waren 1‘000 Kg Schiesspulver.

Weniger Freude hatten wir an den täglichen Mascletàs, die uns aus der Ferne beim Aufwachen begrüssten, durch den Tag begleiteten und beim Einschlafen wieder aus der Ferne verabschiedeten. Diese Feuerwerke werden über zwei Wochen täglich gezündet. Sie gelten als „Kompositionen von Petarden“, die nach genauem Plan abgefeuert werden. Die Petarden werden hinter Sicherheitsgittern an langen Drahtseilen in der richtigen Reihenfolge aufgehängt und dann gezündet. Eine Vorführung dauert mindestens fünf Minuten, wobei sich die Stärke der Petarden abwechselt und sicher gegen Ende furios steigert. Für fünf Minuten werden 210 -250 kg Schiesspulver gezündet. Es gibt berühmte Komponisten für solche Mascletàs und deren Auftritt wird in den Zeitungen mit genauen Zeit- und Ortsangaben veröffentlicht. Stunden bevor der erste        Schuss fällt, suchen sich viele Zuhörer einen guten Platz und warten geduldig auf das absolut ohrenbetäubende Spektakel. Wie nach einem Konzert gibt es Applaus für die Aufführung und anschliessend wird ausgiebig darüber diskutiert, wer dieses Jahr die beste Mascletà dargeboten hat. Für diese Feuerwerke gibt es offizielle Juroren, die entscheiden, welche Darbietung die beste der aktuellen Saison war und entsprechend ausgezeichnet wird. Natürlich vergnügt sich daneben auch die Jugend mit Knallern, die in speziellen Kistchen mitgetragen werden. Sie werden gerne in den engen Gassen der Altstadt angezündet, denn mit Unterstützung des Echos zwischen den Häusern erreichen sie hier die grösste Wirkung. Selbst kleine Kinder haben bereits ihren Spass mit Knallkörpern, die nicht angezündet, sondern auf den Bodengeworfen werden und dort explodieren.

Am 17. und 18. März ziehen die Fallas Gruppen nach einem genauen Aufmarschplan durch die Innenstadt zur Virgen de los Desamparados (Heilige Jungfrau der Schutzlosen), seit 1885 die Schutzpatronin Valencias. An diesen beiden Umzügen marschieren rund 110‘000 Menschen in etwa 400 Fallas Gruppen mit. Sie marschieren an den beiden Tagen insgesamt 40 Stunden auf den durch den Zeitplan genau festgelegten Strassen. Die Falleros (Männer und Knaben) tragen die Kleidung, wie sie früher von reichen Händlern oder den Bauern der fruchtbaren Region getragen wurde. Die Falleras vom Kleinkind bis zur Grossmutter tragen prächtige Roben aus dichter Seide, reich bestickt und gestützt von steifen Unterröcken. Die Haare sind kunstvoll aufgesteckt und werden oft mit vergoldeten Spangen zusammengehalten. Angeführt wird jede Gruppe vom Bannerträger und natürlich wird sie begleitet von einer Musikformation. Es sind an den beiden Tagen 8300 Musiker beteiligt. Die älteren Kinder jeder Falla Gruppe marschieren stolz hinter ihrer eigenen kleinen Standarte an der Spitze der Gruppe. Die Falleras bringen vorwiegend rote oder weisse Nelkensträusse zur Plaza de la Virgen. Die Blumengabe wird vorgeschrieben (Grösse, Farbe, Blumenart), denn diese Sträusse werden von Spezialisten zu einem prächtigen Blumenmantel für die Virgen montiert. Dieser Mantel hat jedes Jahr ein anderes Muster und auch die Farben variieren. Viele Falleros schleppen zudem bunte und grosse Blumengebilde zur Virgen, wo man sie auf dem Platz in den kommenden Tagen aus der Nähe bewundern kann.

Erstaunt stellen wir fest, wie gut organisiert auch die Säuberungsarbeiten sind. Überall sehen wir fleissige Männer und Frauen, die mit Besen und kleinen Abfallwagen die Strassen und Plätze laufend reinigten. Laut der Lokalzeitung wurden an den diesjährigen Fallas Festtagen in Valencia 7712 Tonnen Abfall entsorgt!