Musik in New Orleans im Jahr eins nach "Katrina"

Text basierend auf einem Artikel von Kuno Gurtner in der NZZ am Sonntag, 23.07.06 

Das Interesse an der Musikstadt New Orleans ist neu erwacht und wird mit allen Mitteln gefördert. "The city that jazz built", wie sich die Stadt voller Stolz nennt, soll wieder zum Magnet für Touristen aus der ganzen Welt werden, denn die Touristenmassen bringen dringend benötigtes Geld in die Stadt! Als am 29. August 2005 der schreckliche Hurrikan „Katrina“ die Region heimsuchte und fast alles zerstörte, kamen auch viele Musiker nur knapp mit ihrem Leben davon. Bands wurden auseinander gerissen, weil ihre Mitglieder aus der Gegend wegziehen mussten, um überhaupt eine Unterkunft zu haben. 

Jazzklubs abseits des Touristenviertels im French Quarter wurden völlig zerstört. Der Kern von New Orleans, das French Quarter, wurde von den Gründern auf dem einzigen festen, d.h. nicht sumpfigen Boden der Region erbaut und hat darum den Hurrikane relativ gut überstand. Mit der Zerstörung der Jazzklubs war auch den weniger bekannten Musikern, die nicht im French Quarter auftraten, die Möglichkeit genommen, ihr Können gegen Entgelt hören zu lassen. Sie verloren nicht nur ihren Arbeitsort, sondern meistens auch ihr gesamtes Hab und Gut, d.h. sie hatten oftmals auch keine Instrumente mehr. Dass an vielen Orten im noch existierenden Teil der Stadt heute bereits wieder Jazz gespielt wird, ist Organisationen wie dem New Orleans Musicians Hurricane Relief Fund zu verdanken. Diese Stiftung kauft Musikern neue Instrumente, ermöglicht ihnen die Rückkehr nach New Orleans und unterstützt Veranstalter von Musikanlässen beim Wiederaufbau von Musiklokalen und der Organisation von Konzerten. 

"Katrina" hat, - so zynisch das klingt-, der Musik von New Orleans aber auch zu neuer und grosser Aufmerksamkeit verholfen. Selbst bekannte Plattenlabels interessieren sich wieder für sie. Zu den Musikern, über die man plötzlich wieder spricht, gehört auch Fats Domino, obwohl der betagte Pianist und Sänger aus gesundheitlichen Gründen kaum noch öffentlich zu sehen ist und darum auf einen Auftritt am diesjährigen Jazz- und Heritage Festival in seiner Geburtsstadt verzichten musste. Auf dieses Interesse ist die Stadt in musikalischer Hinsicht sehr angewiesen, denn in ihr wurde zwar vor dem Unglück das musikalische Erbe noch gepflegt, aber seit gut 20 Jahren nur noch ganz selten musikalisches Neuland entdeckt. 

Nur wenige Wochen nach "Katrina" produzierten Ry Cooder und Joe Henry das Album "Our New Orleans 2005". Dieses Benefizalbum ist ein klingender Führer zu traditionellen Stilrichtungen geworden, die in der Stadt zu hören sind: vom Jazz über die ländliche Cajun-Musik bis hin zu den Frage-und-Antwort-Gesängen der Wild Magnolias. Diese sind eine der Cliquen der Mardi Gras Indians, die in ihren aufwendig gestalteten Kostümen am Karneval von New Orleans auftreten und daran erinnern, dass die Ureinwohner einst geflüchtete schwarze Sklaven aufgenommen haben. 

Bearbeitet von SEE  am 10.08.2006