Die
Geschichte von "Onkel Toms Hütte" ist mehr als hundert Jahre alt.
Harriet Beecher-Stowe (1811-1896) veröffentlichte sie im Jahre 1852 zuerst
als Fortsetzungsgeschichte in einer Zeitung in Washington. Als das erste
Kapitel erschienen war, löste es ein außerordentlich heftiges Interesse
aus. Wurde doch der amerikanischen Gesellschaft in den Südstaaten
erbarmungslos ein Spiegel vorgehalten, in dem die nackte Gewalt, die Barbarei
der Sklaverei zu besichtigen war. Seit dieser Zeit ist das Buch in einer kaum
noch zu nennenden Zahl von Ausgaben auf der ganzen Erde erschienen. Manches
kommt uns als der Vergangenheit gehörig vor - vieles aber ist uns ganz'
gegenwärtig. Gegenwärtig aus dem heutigen Amerika. Es gibt keine
"Sklaverei" mehr in Amerika - aber es gibt nach wie vor die gleiche
Barbarei, Gewalt und Brutalität gegen die um ihre Gleichberechtigung kämpfenden
Neger in den USA. Der Bericht eines Zeitgenossen von Harriet Beecher-Stowe
aus dem Jahre 1853 mutet uns an wie ein Bericht einer amerikanischen Zeitung
aus dem heißen Sommer des Jahres 1968. Gestern und heute. Die Bilder
gleichen sich auf erschreckende Weise:
"Jeden Augenblick gab es einen öffentlichen Ausbruch. Eine Presse wurde
zerstört, ein Haus demoliert, ein freier Neger gestohlen, Gericht über die
Freiheit von Negern geholten. es fand ein bewaffneter Angriff auf die
Negerquartiere statt, ein Negerschulhaus wurde bis auf den Grund zerstört,
ein Sklave tötete Frau und Kinder im Gefängnis, um sie vor dem Verkauf nach
dem Süden zu schützen. Einmal entließ ein Bürgermeister um Mitternacht
die Aufrührer, welche die Häuser einiger Farbigen demoliert hatten mit den
Worten: "Jetzt, Jungens, lasst uns nach Hause gehen, wir haben heute
genug getan . . ." Im Jahre 1840 griffen die Sklavenfänger, unter
Beihilfe der Bevölkerung und von gewissen Politikern und Kaufleuten dazu
aufgestachelt, die Quartiere an, in welchen die Neger wohnten. Einige Häuser
derselben wurden mit Kanonen in den Grund geschossen. Mehrere Tage hindurch
war die Stadt von Gewalttaten erfüllt . . ."
Die Bilder gleichen sich auf erschreckende Weise - nur: die farbigen Menschen
in den USA haben kämpfen gelernt. Sie kämpfen um ihre Rechte im Norden und
Süden der Vereinigten Staaten. Und wenn man auch ihre mutigen Führer wie
Martin Luther King ermordet, die Befreiung der Sklaven von gestern, der
Unterdrückten von heute ist nicht aufzuhalten. "Sie fürchten sich
nicht . . . und eines Tages werden sie triumphieren." Das ist ihre
Hymne, unter deren wunderbarer Melodie sie sich vereinigen und ihren langen,
langen Weg zum Sieg marschieren. Onkel Tom freilich wird diesen Sieg nicht
mehr erleben - seine Enkel aber, all die zahllosen farbigen Kinder in den USA
- sie werden es schaffen.
D. S.