Mozart Manuell und mechanisch 

Auch die «Kyburgiade» fügt sich ins Mozart-Jahr. Ganz im Zeichen des Jubiläums stand der sechste Abend - in recht eigenartiger Weise. WINTERTHUR - Eine Mozart-Hommage? Dessen Andante für eine Orgelwalze KV 616 hat die Idee aufkommen lassen, den alten Lochkartenautomaten wieder aufleben zu lassen, und jetzt, nach dem Konzert, fragt man sich: Wer oder was war nun eigentlich der Protagonist des Abends? Mozart oder die Orgelwalze? Zwar trat Ernst Konarek, mit Perücke bewehrt und im Vollbesitz seiner rhetorischen Vortragskunst, als Erzähler auf, der mit Anekdoten, Briefzitaten und augenzwinkernden Randbemerkungen spezielle Aspekte aus Mozarts Leben und Wirken evozierte. Wunsch und Absicht, möglichst originell zu sein und nicht zu wiederholen, was man in diesem Jahr bereits zur Genüge an Kommentaren vernommen hat, war begreiflich, ja löblich - und vielleicht ein klein bisschen penetrant. Aber seis drum: Er tat es mit spritzigem Geist und als gewiegter Unterhalter, der sein Publikum zu vielen Lachern brachte. 

Und Mozarts Musik? Sie erklang zunächst in Einzelsätzen aus der«Kleinen Nachtmusik», für deren Wiedergabe das Carmina-Quartett sich durch einen Kontrabassisten verstärken liess. Später war es das Klarinettenquintett, dessen Bläserpart Wolfgang Meyer mit seinem noblen und wunderbar ausgestalteten Klarinettenspiel aufblühen liess, und wie stets nahmen die vier Streicher mit ihrem spannenden und ausdrucksstarken Interpretationsstil, unter anderem dann auch mit dem Schlusssatz aus dem G-Dur-Quartett, intensiv gefangen. Aber - und das mag im Zuge unserer Zeit liegen, in der Radio und Fernsehen ebenfalls mehrheitlich nur noch Einzelsätze zu vermitteln pflegen - man hat es doch auch bedauert, diese Meisterwerke nicht mehr integral erleben zu können. 

Wilde Gefilde

Dafür kam die mechanische Orgel ganz gross heraus. Pièrre Charial hat sich ihrer angenommen und sich ein grosszügiges Instrument bauen lassen, mit dem er alte und vor allem zeitgenössische Werke «ab Kurbel» präsentieren kann und zu verblüffender Wirkung gelangen lässt. Den Beginn machte er mit Mozarts bereits erwähntem Andante KV 616, mit dessen Wiedergabe man vor allem von der extremen Genauigkeit von Artikulationen und Phrasierungen überrascht und auch vom schönen, warmen Holzklang der Pfeifen beeindruckt wurde. Später waren es dann Kompositionen von Michael Riessler und Pièrre Charial selbst, in denen Klarinetten und Streichquartett und Drehorgel sich ein Stelldichein gaben und sich miteinander in die wilden Gefilde des lauten, schnellen und Stereotyp repetitiven Musikstils begaben, der in rauschhafte Zustände zu versetzen und entsprechend die Hörer mitzureissen vermag. Dabei wurde von der scharfen Jazz- und der bauchig klingenden Bassklarinette extreme Virtuosität verlangt, die Autor Riessler selbstverständlich mühelos beherrschte, und das Carmina-Quartett bestätigte sein eminentes Können insbesondere im oft riskanten, aber gekonnt gemeisterten metrisch-rhythmischen Zusammenspiel mit der Orgelwalze. 

Was ist das nun eigentlich gewesen? Ein Konzert? Ein Variété? Unterhaltungsabend? Oder am Ende doch eine Huldigung an Mozart, der Spielereien liebte, Allotria zu treiben pflegte und todernst sein konnte?, Vielleicht würde er an dieser kunterbunten Art des 21. Jahrhunderts seinen Geburtstag zu feiern, seinen Spass gehabt haben - wer weiss das schon?:    RITA WOLFENSBERGER